Mythos Dreimonatskoliken – was wirklich dran ist und was hilft

Durch das Abhalten kann vielen Babys bei sogenannten Dreimonatskoliken ganz einfach geholfen werden
Medizinisch lassen sich Dreimonatskoliken bei 90% der Kinder nicht nachweisen [7]

Wer kennt sie nicht – die Erzählungen von übernächtigten Eltern, die stundenlang ihre schreienden Babys im Fliegergriff durch die Wohnung getragen haben. Meist haben die Eltern alles, was ihnen zur Verfügung steht, ausprobiert: Homöopathie, entblähende Medikamente und Kirschkernsäckchen kamen erfolglos zum Einsatz. Dabei kann vielen Babys ganz einfach geholfen werden.

Fast alle Eltern kennen sie: Die sogenannten Dreimonatskoliken.

Interessant an den Koliken ist, dass Babys nur in bestimmten Kulturkreisen unter Koliken leiden (z.B. bei uns). Und dass weder Kinderärzte noch Gastrologen (die Ärzte für den Bauch) die Koliken ernst nehmen. Es fehlt immer noch die Evidenz für Säuglingskoliken. Man geht davon aus, dass maximal 10% aller Babys Koliken haben, wenn überhaupt.

 

Was aber kann sonst vorliegen, wenn das Baby schreit und sich krümmt?

 

Die typischen Symptome für eine Kolik sind:

Das Baby schreit und ist nicht zu beruhigen.

Es krümmt sich.

Der Bauch ist hart und angespannt.

Es zappelt mit den Beinen.

Es streckt den Rücken ins Hohlkreuz.

Die Symptome fangen üblicherweise ab der dritten Lebenswoche an und vergehen spätestens mit vier Monaten.

Nach einiger Zeit gehen Blähungen und/ oder Stuhl ab (oft hört dann das Schreien auf).

Gerade der letzte Punkt lässt Eltern (und Fachpersonal!) in der Regel annehmen, es handle sich dabei um schlimmes Bauchweh und gerade das Absetzen von Blähungen oder Stuhl hätte dem Baby Erleichterung gebracht. So viel zum kulturellen Filter.

 

Tatsächlich gibt es noch eine weitere Erklärung, warum das Schreien erst dann aufhört, wenn das Baby in die Windel gemacht hat: Das Baby wollte und konnte nicht in die Windel machen. Es hat versucht den Stuhl zu halten. Und das tut weh.

 

Erklärung durch Menschheitsgeschichte

Es gibt nämlich eine nicht zu verachtende Anzahl an Kindern, deren Instinkt es ihnen fast unmöglich macht sich einzukoten. Denn Babys sind echte Steinzeitprofis. Unsere Genetik und unsere Instinkte sind immer noch an die Steinzeit angepasst (die immerhin 99% der Menschheitsgeschichte ausmacht). Babys verstehen vieles von unserer modernen Welt einfach nicht. Dazu gehören z.B. Windeln. Ein Baby kann lernen, seine Ausscheidungen in eine Windel zu machen – natürlich bzw. artgerecht ist das aber für ein Baby keinesfalls. 80% der Babys weltweit tragen nie eine Windel, sondern werden abgehalten. Lange Zeit war es für Menschenbabys unnatürlich und gefährlich sich einzunässen bzw. einzukoten – in der Steinzeit hätte das schnell zur Unterkühlung mit ernsten Folgen geführt.

Wenn das Baby also schreit und sich windet, kann es sein, dass da der Instinkt schreit: Halt mich ab, ich muss aufs Klo!

Hilf deinem Baby: Mach die Windel auf und halte es über Töpfchen, Toilette, Waschbecken, geöffneter Windel, Wiese, Waldboden, Asphalt usw. ab!

 

Viele Eltern machen die Erfahrung, dass die Koliksymptome schlagartig aufhören, sobald sie ihrem Baby durch das Abhalten helfen.

Hier findest du Tipps zu den Abhaltepositionen und den Signalen, mit welchen ein Neugeborenes kommuniziert, dass es „mal muss“.

 

Im Übrigen können auch abgehaltene Babys mal Bauchweh haben. Geraldine J. Jordan konnte allerdings in ihrer wissenschaftlichen Arbeit zeigen, dass das Abhalten von Säuglingen bei Koliksymptomen hilft. Allein durch die Körperhaltung kann sich der Darm wesentlich leichter entleeren - Blähungen und Stuhl können leichter abgesetzt werden. Also - selbst wenn dein Baby schreit, weil es wirklich Bauchweh hat, kann Abhalten helfen. Einen Versuch ist es also allemal wert.

 

Wie du deinem Baby helfen kannst, wenn es verdauungsbedingte Bauchschmerzen hat, kannst du hier lesen.


Meine hebammenspezische Tätigkeit findest du hier www.hypnohebamme.de.

Jedes Baby ist individuell. Zu erkennen, was genau die Bedürfnisse deines Babys sind, erfordert Zeit, Geduld und die Bereitschaft sich jeden Tag auf etwas Neues einzulassen.

Jede Bezugsperson ist ebenso individuell. Was genau für dich und dein Baby passt, wisst ihr selbst am Besten. Wichtig ist, dass es sich für euch beide richtig anfühlt.

[7] Bildnachweis: Photo by Carlo Navarro on Unsplash